Vielleicht ist Dir das auch schon passiert: Du fragst dich, woher hat er/sie das bloß? Dieses aufbrausende Verhalten, dieses impulsive Temperament deines Kindes? Oder du denkst im Geheimen, wieso ist er/sie denn so empfindlich? Wir sind doch eine “temperamentvolle” Familie und stellen uns doch alle nicht so an?!
Kinder kommen auf die Welt und bringen bereits einiges mit. Die Gießkannentheorie, dass wir Kinder füllen und formen können nach unserem Belieben, ist längst überholt. Kinder bringen eigene Wesenszüge und ein eigenes Temperament mit. Umgangssprachlich wird der Begriff des Temperaments häufig mit Impulsivität und Leidenschaft definiert. Doch aus entwicklungspsychologischer Perspektive umfasst der Begriff “Temperament” unterschiedliche Typen der Persönlichkeit und Wesenszüge, die unterschiedlich stark auftreten können.
Temperament von Kleinkindern besteht von Geburt an
Eigentlich besteht Temperament sogar schon vorgeburtlich. Schon im Bauch erkennen Mütter häufig, ob das Kind eher aktiv oder eher zurückhaltend ist. Babys unterscheiden sich grundlegend voneinander in ihren Wesenszügen. Du hast bestimmt schon früh gemerkt, ob dein Kind ein eher ruhiges, zurückhaltendes Kind oder ein sehr aktives, wilderes Kind ist.
Das Temperament kennzeichnet das Erleben und Verhalten eines Menschen in einer Situation, das bedeutet, wie reagiert der Mensch auf neue Situationen, auf Personen und auf Ereignisse.
In einer Längsschnittstudie haben Thomas & Chess (1980) 141 Kinder über 30 Jahre begleitet und 9 Temperamentsdimensionen herauskristallisiert. Dies ist ein sehr komplexes Modell, welches sie mit Hilfe statistischer Analysen auf 3 Grundtypen reduziert haben.
Es gibt 3 Grundtypen des Temperaments
Demnach gehören 40% der Kinder zu dem Typ “easy-to-handle”, 10 % zum Typus “difficult” und 15 % zum Grundtyp “slow-to-warm-up”. 35 % der Kinder gehören einer “unauffälligen Gruppe” an, was nicht heißen soll, dass die zugehörigen Kinder zu den anderen Gruppen “auffällig” im Sinne von “verhaltensauffällig” sind. Viel mehr bedeutet diese große Gruppe auch gleichzeitig die Einschränkung der Studie: Temperamentsmerkmale und Verhaltenseigenschaften können auch innerhalb der Person variabel sein und sich je nach Tagesform stark bemerkbar machen. Ein leicht zu irritierendes Kind ist folglich nicht immer und jeden Tag gleich leicht zu irritieren.
Warum ist es wichtig, über Temperament Bescheid zu wissen?
In der Einleitung habe ich es bereits angedeutet: Nicht immer lässt sich das Temperament deines Kindes auf Persönlichkeiten in der Familie zurückführen. Nicht alles ist vererbt, denn Kinder bringen eine eigene ganz individuelle Mischung der Gene der Familie mit. Daher kommt es dir manchmal so vor, dass Du dir gar nicht erklären kannst, woher er/sie diese Eigenschaft hat. Manchmal verändern sich Dinge in der Intensität durch Weiterentwicklung und Einflüsse aus der Umwelt, aber die grundsätzliche Richtung eines Temperaments bleibt bestehen.
Dein elterliches Verhalten, Rahmenbedingungen in der Familie, Betreuungseinrichtung oder in der Schule können Einfluss auf das Temperament nehmen, aber es nie ganz verändern.
Das Temperament deines Kindes kann dadurch förderlich ausgeglichen werden oder zum Nachteil für dein Kind verstärkt werden.
Und die vielleicht wichtigste Nachricht für Dich: Elterliches Verhalten bzw. elterliche Reaktionen können bei zwei Kindern mit unterschiedlichen Temperamenten völlig unterschiedliche Ergebnisse auslösen.
Das bedeutet im Klartext: Der Spruch, entspannte Eltern, entspanntes Kind ist völliger Humbug! Damit möchte ich euch Eltern entlasten. Wenn euer Kind also ein schwieriges Temperament hat, dann könnt ihr noch so entspannt sein und vor allem: Ihr seid nicht daran schuld! Die Aussage “Ihr seid nicht entspannt genug” trifft somit nicht zwangsweise zu.


27. September 2023
"Geschwisterkrise: Große Liebe oder große Krise?!"
Erfahre in meinem Online Know-Wow Abend am 27. September 2023, wie du dein Kind liebevoll auf ein Geschwisterchen vorbereitest und du die Geschwisterbeziehung förderst.


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Ein paar Beispiele für Dich
Nehmen wir an, Dein Baby ist vom Temperament eher aktiv und leicht ablenkbar. Wahrscheinlich reagiert es dann mit Schreien auf sich schnell ändernde Reize in seiner Umwelt. Wenn Du jedoch vom Typ eher viel Abwechslung in Deinem Alltag magst und Dich tendenziell erst spät gestresst fühlst, dann kann dies zu Problemen führen. Das Temperament von Dir und Deinem Baby sind in dieser Konstellation eher unterschiedlich. Ihr habt somit die Herausforderung euch aufeinander einstellen zu müssen.
Ein Kind, das leicht aufbrausend reagiert, benötigt mehr Unterstützung in der Regulation seiner Emotionen als ein Kind, dass vom Grundtypus weniger empfindsam ist.
Und bei Kleinkindern?
In der Autonomieentwicklung deines Kleinkindes kann das Wissen über sein Temperament euch helfen, besser auf Konflikte zu reagieren. Ihr könnt feinfühliger auf Gefühlsstürme eingehen, wenn ihr wisst, wie ihr das Temperament eures Kindes ausgleichen könnt.
Es ist hilfreich, wenn ihr euren Tagesablauf so gestaltet, dass die Rahmenbedingungen förderlich sind. Wenn ihr also häufig wiederkehrende Wutanfälle habt, dann ergibt es Sinn, wenn ihr euren Tagesablauf mal dahingehend analysiert, wie euer Kind auf Situationen reagiert und was ihm/ihr helfen könnte, besser mit der Situation umzugehen.
Wenn du mehr wissen möchtest, über ähnliche unsinnige Mythen wie “Entspannte Eltern - entspanntes Kind” und wenn Du zuhause immer wieder Herausforderungen mit deinem Kleinkind in der Autonomiephase hast, dann schau doch mal hier:
Ich habe für Dich eine kostenlose Videoserie vorbereitet: “Raus aus der Wutspirale”: Darin kläre ich auf über die wichtigsten Denkfehler und Mythen, die rund um die “Trotzphase” kreisen und möchte Dich darüber aufklären und zu einem individuellen, entspannten Weg für deine Familie verhelfen.
Deine Annika