Die ersten Wochen und Monate mit Baby sind nicht immer nur rosarot, sondern auch anstrengend und kräftezehrend. Der unbändigen Freude über die Ankunft des neuen kleinen Wesens steht häufig unendliche Müdigkeit und oft auch Überforderung gegenüber. Der neue kleine Mensch, der da ist, muss sich erstmal zurecht finden in dieser neuen Welt und drückt seine Erlebnisse über Schreien und Weinen aus. Manchmal ist dein Baby dann vielleicht auch einfach ein Mama-Kind und lässt sich nur von Mama trösten und beruhigen. Gerade in den ersten drei Monaten weinen Babys besonders in den Abendstunden sehr viel, um die Reize des Tages zu verarbeiten. Vielleicht hattest Du auch schon solche Situationen, wenn Du selbst gerade Mama geworden bist. Das Schreien eines Babys löst in uns Erwachsenen sofort den Drang aus, darauf zu reagieren. Doch manchmal hat man das Gefühl, dass nur Mama das Baby beruhigen kann. Geht es Euch auch gerade so? Ist manchmal scheinbar nur Mama die richtige, um dem Baby gerecht zu werden?
Nur noch Mama!
Gerade wenn das Baby noch gestillt wird, ist das häufig der einfachste Weg, um Euer Baby zu beruhigen. Meist tritt durch die Stillung des Saugbedürfnisses relativ schnell der Erfolg ein, dass sich euer Kleines beruhigen lässt. Das kann jedoch dazu führen, dass Dein*e Partner*in das Gefühl hat, dass er*sie nicht der*die Richtige ist, um das Baby zu beruhigen.
Mama überlastet, Papa ausgegrenzt. Wie ist es zum Mama-Kind gekommen?
Eigentlich wart ihr euch doch einig. Vor der Geburt in der Schwangerschaft habt ihr euch unterhalten und es war für beide klar: Wenn das Baby da ist, werdet ihr euch gegenseitig entlasten und Papa/2.Mama wird genauso für euer Baby zuständig sein wie Du als Mama. Er*sie wird trösten, ggf. Fläschchen geben, wickeln und in den Schlaf begleiten. Ihr werdet ein super Team sein!
Doch die Realität trifft manchmal hart.
Wenn ihr nach mehreren kräftezehrenden Abenden und Nächten die Erfahrung macht, dass euer Baby scheinbar einfach ein Mama-Kind ist und sich bei Mama viel schneller trösten und beruhigen lässt, kommen die ersten Unsicherheiten und Konflikte auf. Es fühlt sich vielleicht an wie eine Konkurrenz zwischen euch zweien, obwohl ihr das eigentlich nicht wolltet. Die negativen Gefühle können trotzdem da sein und das Selbstbewusstsein leidet.
Der Grund: Mama als Bindungsperson
Wenn nach den ersten Wochen, in denen Papa/2.Mama meist Elternzeit oder Urlaub hat, plötzlich der Alltag einkehrt und heutzutage häufig noch Mama primär das Baby betreut, dann stellt sich dahingehend eine Gewohnheit ein. Du als Mama verbringst die meiste Zeit mit dem Baby und bist daher „die sichere Bank“. Du bist die Hauptbindungsperson, da ihr zwei bisher die meiste Zeit miteinander verbracht habt. Ihr kennt euch schon 9 Monate länger und intensiver als der Papa/2.Mama und das Baby, daher hast Du deinem*r Partner*in einen kleinen Vorsprung voraus. Durch die intensive Zeit im Bauch und die intensive körperliche Nähe, z.B. beim Stillen, bist Du zunächst die engste Bindungsperson deines Babys. Das kann dazu führen, dass es anderen Personen schwerer fällt, das Baby zu beruhigen und zu trösten. Doch nur weil ihr die engste Beziehung habt, heißt das nicht, dass Du allein verantwortlich sein musst. Meistens wünschen sich die Mütter ja auch Entlastung. Aber wenn man durch vorangegangene Nächte so erschöpft ist, ist es oft der leichtere Weg, wenn Mama das Trösten übernimmt. Um mal aus Sicht eures Babys zu sprechen: Würdest Du dich mit der jetzt noch „zweitbesten“ Lösung zufriedengeben, wenn die einfachere, sichere erfolgversprechende Lösung so nahe liegt? Wahrscheinlich nicht. Papas/2.Mamas müssen sich also leider etwas mehr ins Zeug legen, um Babys Gunst zu erwerben.
Ein reines Mama-Kind muss nicht sein! Dein*e Partner*in als wichtige Bindungsperson für euer Baby
Auch der Papa/2.Mama kann eine ähnlich intensive Bindung zu eurem Baby aufbauen und die kindlichen Bedürfnisse ausreichend befriedigen. Euer Baby macht die Erfahrung, dass es der Umwelt nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern entwickelt das Vertrauen, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden. Und diese Erfahrung kann es nicht nur mit Mama machen. Es gibt inzwischen diverse Studien von EntwicklungspsychologInnen, die belegen, dass der Säugling bereits früh neben der ersten Bindungsperson auch weitere Bindungen eingehen kann. Euer Baby braucht dazu aber kontinuierlich die Gelegenheit, gemeinsame Quality Time mit der anderen Bezugsperson zu verbringen, sodass es auch da die Erfahrung macht, dass Bedürfnisse erfüllt werden.
Eltern machen Dinge unterschiedlich, aber gleich gut!
Das Baby kann sich auch schon früh auf unterschiedliche Strategien der verschiedenen Personen einstellen. Das heißt, auch wenn Mama anders tröstet als Papa/2.Mama, können beide Strategien zum Erfolg führen. Es gibt nicht die „eine richtige“ Verhaltensweise.
Wenn das Selbstbewusstsein Deines*r Partners*in eh schon angeknackst ist, ist es oft nicht hilfreich, Tipps von Dir als Mama zu kriegen, wie was zu tun ist. Wichtig ist, dass der Papa/2.Mama die Gelegenheit bekommt, eigene erfolgreiche Strategien und Rituale zu entwickeln.
Wie Du Deine*n Partner*in aktiv unterstützt
Es ist deine Aufgabe, eurem Baby zu vermitteln: Auch hier bist Du sicher! Auch Papa/2.Mama kann dir helfen. Denn sonst kann es auch zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung kommen: Wenn Du überfordert bist und eigentlich Entlastung brauchst, gehst Du vielleicht innerlich auf Distanz zum Baby und erhoffst Dir Entlastung durch den Papa/2.Mama. Dann vermittelst Du dem Baby: „Mama ist da, aber nicht präsent“. Doch das spürt dein Baby, wird verunsichert und braucht dann erst recht die Gewissheit, dass alles gut ist. In dieser Situation ist es für den Papa noch schwieriger, das Baby zu beruhigen und zu trösten. Hilfreich ist dann, wenn dein*e Partner*in schon vorher Erfolgserlebnisse und schöne gemeinsame Situationen mit eurem Baby hatte.
Mama-Phasen sind normal. Papa-Phasen aber auch!
Bei jedem Baby treten gelegentlich Schreiphasen auf und es ist wichtig, dass ihr akzeptiert, dass es immer mal wieder Phasen gibt, in denen Mama ganz besonders wichtig ist, z.B. bei Entwicklungsschüben. Versucht, es nicht persönlich zu nehmen, wenn mal jeweils der / die andere bevorzugt wird. Es wird wahrscheinlich immer mal wieder im Leben des Kindes Mama- oder Papa-Phasen geben. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich das ganze irgendwann umkehrt und euer Kind bei bestimmten Situationen nur noch nach Papa/2.Mama verlangt. Auch das ist normal.
5 Tipps, wie Du deine*n Partner*in stärkst und selbst entlastet wirst
Eine gute Bindung zum Baby aufzubauen, ist keine einmalige Sache, die mit einer Aktion abgehakt werden kann. Es ist ein langer Prozess, der sich über Wochen und Monate entwickelt. Viele schöne gemeinsame Beziehungserfahrungen sorgen dafür, dass sich dein Baby bei Dir sicher und geborgen fühlt und dass es die Erfahrung macht, gesehen und geliebt zu werden. Diese Erfahrungen benötigen auch Papa/2.Mama und Baby, um zu einem guten Team zu werden.
Tipp 1: Sprecht ehrlich und wertschätzend über eure Gefühle!
Sprecht miteinander über eure Gefühle. Wut, Trauer, Konkurrenzgefühle und Überforderung sind normal während des Prozesses vom Paar zum Elternsein. Häufig verspürt man Neid oder Eifersucht, dass z.B. das Baby sich so schnell von Mama trösten lässt oder, wenn sich die Situation irgendwann umkehrt, das Kind so entspannt mit Papa/2.Mama spielt. Doch ihr seid ein Team und solltet versuchen, nicht in Konkurrenz zueinander zu stehen. Sprecht darüber, was ihr jeweils benötigt, um Euch unterstützt zu fühlen
Tipp 2: Mama geht außer Sichtweite für das Baby
Vielleicht kannst Du als Mama den Raum verlassen, um beiden die Chance zu geben, es gemeinsam zu schaffen. Auch wenn es nicht deine Intention ist, kann es sein, dass der Vater/2.Mama sich beobachtet fühlt, wenn sich das Baby nicht gleich beruhigen lässt. Um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln braucht es Zeit und Vertrauen ineinander.
Tipp 3: Quality Time für Papa /2.Mama, wenn alle anderen Bedürfnisse gestillt sind
Gebt den zweien die Gelegenheit, ihre Bindung zu stärken! Aber nehmt euch dafür bewusst entspannte Momente. Bindung aufbauen und stärken gelingt am besten, wenn die primären Bedürfnisse des Babys gestillt sind und es ruhig und ausgeglichen ist. Wenn euer Baby z.B. noch gestillt wird, dann muss das auf jeden Fall erledigt sein. Pickt euch zu Anfang nicht direkt die stressigen Situationen raus, in denen die Beiden ins kalte Wasser geworfen werden, sondern startet mit genussvollen Situationen.
Tipp 4: Bindung stärken durch gemeinsame Rituale
Viel Körperkontakt, viel Haut an Haut, viel Tragen im Tragetuch (natürlich nur, wenn euer Baby und ihr das mögt). Nehmt Euch von Anfang an gemeinsame Zeiten nur zwischen Papa/2.Mama und Baby einplanen. Vielleicht entwickelt ihr gewisse Rituale, die nur den Beiden gehören, wie z.B. Baden, Massieren, Fingerspiele
Tipp 5: Entwickle einen Notfallplan für intensive Schreiphasen
Wenn Du nach intensiven Schreiphasen eine innere Distanz und Abwehrhaltung gegenüber deinem Baby verspürst, dann mach Dir keine Vorwürfe. Jeder ist mal mit seinen Nerven am Ende und es ist wichtig, dass Du für diese Situationen einen Notfallplan entwickelst (z.B. das Baby kurz (!) an einem sicheren Ort ablegen, den Raum verlassen, vielleicht an einem offenen Fenster ein paar Mal tief durchatmen. Mach Dir bewusst, dass Du die Situation gerade nicht ändern kannst und dass dein Baby nicht anders kann. Wenn Du kurz durchgeatmet hast, kannst Du mit neuer Energie auf dein Baby zugehen. Lies hier, wie Du deinem Baby hilfst, sich selbst zu beruhigen. Es gibt professionelle Hilfe, falls Dein Baby sich gar nicht beruhigen lässt.
Diese Tipps haben sich meiner Erfahrung nach bereits bei vielen Familien bewährt, damit Dein Baby neben einem Mama-Kind auch ein Papa-Kind wird. Nehmt Euch davon mit, was zu Euch als Familie passt! Ihr entscheidet, was für Euch das Richtige ist.
Lasst mich wissen, was Euch davon am meisten geholfen hat.
Eure Annika